Robuste Lieblinge

Robuste Lieblinge

 

Door Matze Koch

 

Karpfen werden von den echten Freaks bekanntlich nach dem Fang behandelt wie rohe Eier. Dicke Abhakmatten und schonendes Anfassen während der Fotosession gewährleisten einen verletzungsfreien Landaufenthalt unserer Lieblinge. Oft werden sogar Wundsalben und ähnliche Wundermittel auf Haken, oder Schuppenwunden aufgetragen bevor der Fisch seine Freiheit wieder erhält. Sicher ist dieses Verhalten vorbildlich, und ich handle auch nicht anders. Dennoch sollten wir uns zwei Dinge immer vor Augen führen:

 

Karpfen sind Züchtungen und keine Naturformen. Die ursprüngliche Wildform, die maximale Gewichte bis 7 Pfund erreichte, ist so nirgends mehr vorhanden. Und selbst wenn ein Angler glaubte, den Urtyp in abgelegenen rumänischen Seen gefunden zu haben, so stellte sich oft doch nur heraus, dass es sich um einen normalen Zucht-Schuppenkarpfen handelt, der eine besonders schlanke Körperform aufwies.

Diese Zuchtformen der Karpfen, wie wir sie heute fast ausschließlich kennen, sollten bestimmte Zwecke erfüllen. Sie sollten wenig Schuppen haben, möglichst schnell dick werden und robust sein. So robust, das man sie auch schon mal in ein feuchtes Tuch eingewickelt vom Markt lebend in die  heimische Küche tragen konnte, um die Frische zu gewährleisten, das war die ursprüngliche Absicht, die heute nicht mehr denkbar ist.

Alle Attribute jedoch zu vereinen ist nie ganz gelungen, denn trotz ihrer vielen Schuppen haben sich die Schuppenkarpfen etabliert, weil sie als robuster gelten, und natürlicher aussehen. Da konnte man das lästige „Abschuppen“, was man mit der Spieglervariante ersparen wollte gerne in kauf nehmen.

Besonders die gewünschte Wiederstandsfähigkeit kommt den modernen Karpfenanglern heute sehr zugute, denn würden wir zum Beispiel Zander genauso behandeln, sie würden schnell das Zeitliche gesegnet haben. Wie schnell ein Zander verendet, obwohl er kaum sichtbare Verletzungen davon trug, hat sicher jeder Angler schon erlebt. Wie bewundernswert robust dagegen ein Karpfenleben ist, konnte ich schon mehrfach feststellen.

 

Eines Tages fing ein guter Freund von mir einen kapitalen Fisch, nahe der 30 Pfund Marke. Bei der Fotosession auf einem Holzsteg, geschah dann das Unglück. Mit einer heftigen Schlagbewegung befreite sich der Fisch aus dem vermeintlich sicheren „Fotogriff“, und machte einen gewaltigen Satz über die Abhakmatte hinweg, und krachte so aus einem halben Meter Höhe auf die Holzplanken. Er bewegte sich nicht mehr, und aus seinen Kiemendeckeln lief ein dicker Strom Blut auf den Steg. Sensibel wie wir Karpfenangler nun mal sind, setzte mein Kumpel den Fisch ohne weitere Fotos mit Tränen in den Augen sofort zurück in sein Element.

 

Zwei Wochen später fing er zu seiner unbändigen Freude den Fisch erneut. Ein klares Indiz dafür, was diese Fische wegstecken können. In meinem Heimatverein hat man ganze Karpfenbestände elektrisch abgefischt und „entsorgt“, weil sie mit einer Pilzerkrankung angeblich nicht fertig wurden. Ein fataler Irrtum, zum Leidwesen der heimischen Karpfenangler.

 

Zum Thema noch ein Erlebnis aus meiner eigenen Erfahrung. Am 1. Juli 2005 fing ich in einem kleinen Poldergraben einen Spiegler mit einer heftigen Rückenverletzung. Ich hatte ihn beim Sonnenbaden beobachtet und beschlossen ihm nachzustellen, zudem es eines der größten Exemplare dieses winzigen Gewässers war. Nach einigen erfolglosen Versuchen fing ich meinen Zielfisch schließlich. 11.800 Gramm zeigte die Wage (FOTO 2), und eine blutige Kraterlandschaft zeigte der Rücken (FOTO 4). Ich gebe zu, es war das erste Mal, dass ich mir eine Flasche „Klinik“ oder Ähnliches herbeigewünscht habe. Da ich aber nicht „herbeiwünschen“ kann, setzte ich den Fisch ohne diese Spezialbehandlung zurück. Dieses Gewässer wurde meines Wissens nach noch nie gezielt auf Karpfen beangelt. Woher die Verletzung stammt, entzieht sich meiner Kenntnis, ob ein größenwahnsinniger Kormoran seinen Schnabel hineingestoßen, oder ob ein gieriger Bauer mit der Mistforke hinter dem Fisch herwar, ob ein Kochtopfangler einen Backstein nach ihm geworfen hatte oder ob ein Rechenbagger die Schuld trug - ich weiß es nicht.

Am 20. April 2006 - keine 11 Monate später - eröffnete ich die Saison mangels ausreichend hoher Temperaturen erneut an diesem kleinen Gewässer. Schon in der zweiten Nacht hatte ich „Mr. Dark Backbone“, wie ich ihn aufgrund seines tiefschwarzen Rückens und seiner Verletzung getauft hatte, erneut gefangen. Einen Moment lang zweifelte ich an seiner Identität, denn der Rücken war unversehrt. Aber das schiefe Maul, das diesen alten Recken ebenfalls verunzierte, und ein Fotovergleich ließen keinen Zweifel zu. Er war es. Als hätte er nie eine Verletzung gehabt. Ich war fasziniert. Gott hat die Natur nicht nur mit wunderbaren Tieren ausgestattet, sondern auch mit einer Selbstheilungskraft die mich schwer beeindruckt hat.

 

Foto 3: Verletzung verheilt.

Foto 1: Schiefes Maul

 

Ich möchte hiermit nicht den Eindruck erwecken: „Verletzt Eure Fische ruhig, die erholen sich prima!“ sondern im Gegenteil, ich möchte hiermit lediglich beweisen, dass es beim Karpfen nicht nötig ist ihn zu töten, nur weil er verletzt ist.

 

Beim Zander oder Hecht sieht es etwas anders aus, hier rate ich durchaus dazu, schwer verletzte Fische zu entnehmen. Es wäre nicht waidgerecht einen stark blutenden Zander zurückzusetzen.

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